Kommen tote Bilder auch in den Himmel?
2015–2022
Wenn Menschen sterben, werden ihre Häuser und Wohnungen geräumt. Die meisten Möbel, Teppiche, Kleider werden entsorgt und verbrannt. Einige Gegenstände schaffen es, den Tod ihrer einstigen Besitzer zu überleben. Was die Erben nicht behalten, wird beim Trödler zum Verkauf angeboten. Seit Jahrzehnten faszinieren mich die verweisten Bilder in den “Brockenhäusern”, wie die Trödlerläden in der Schweiz genannt werden. Die Bilder, die einst die Wände von Wohnungen schmückten, jetzt sorglos in Regalen gestapelt, haben ausgedient. Es sind tote Bilder. Die meisten Bilder sind kitschiger Wandschmuck oder aber auch zaghafte Versuche von Amateurmalern. Der Hunger nach Bildern ist in jedem von uns. Sie geben die Bedürfnisse der ehemaligen Besitzer wieder: Geborgenheit, Sicherheit, Hoffnung, Schönheit. Die Motive wiederholen sich: Blumen, Landschaften, Tiere und religiöse Abbildungen. Manchmal finde ich fotografische oder gemalte Portraits der Verstorbenen.
Die Bildwelten jenseits der Kunstwelt haben mich schon immer fasziniert. Insbesondere die religiösen Bilder ziehen mich an. Eine uralte Funktion der Kunst aus vorrefomatorischer Zeit ist hier noch wirksam: Die Ikone segnet und schützt den Betrachter. Die (heilende) Kraft der Heiligen wirkt durch das Abbild. Das Bild als Fenster zum Himmel. Eine schwindende Bildwelt von rührender Naivität. Maria mit dem Jesuskind, die weinende Maria, aber dann auch modernere sekularisierte Varianten, die weinenden Kinder ohne Maria und die sehnsüchtigen Jungfrauen ohne Kinder.
Schon in den 90er Jahren baute ich Objekte aus alten Bildern und aus Bilderrahmen. Warum selber malen, wenn es schon so viele Bilder gibt? Seither sammle ich, was ich an “toten” Bildern finde. Manchmal male ich weiter, verbessere, interpretiere und ergänze. Als jungen Künstler interessierte mich das Bild als Gebrauchsgegenstand und der Missbrauch der Ästhetik durch Ideologien in totalitären Sytemen oder Religionen. Eine Ausstellung im Rudolfinum in Prag hies «Mein Kunst» und beschäftigte sich mit dem zeichnerischen Werk von Adolf Hitler. Kitsch Kills!
In den Werken der letzten Jahre gehe ich wohlwollender mit dem Faktor Kitsch um. Anstatt blosszustellen versuche ich mich einzufühlen, nachzuahmen. Ich male Blumen, Landschaften und Sonnenuntergänge. Das bestehende Bild gibt vor und ich folge dem Autor. Wenn es gut kommt, erreichen wir eine Art Gleichgewicht. Art a deux – eine Brücke über die Zeit. Die Portraits der Menschen, die ich im Brockenhaus finde, sind doppelt gestorben. Zunächst ist der Mensch gestorben. Die Fotografie oder das gemalten Portrait lebte aber weiter – als Erinnerung. Erst wenn die Erinnerung starb, kam das Bild ins Brockenhaus. Die Toten auf den Bildern, die ich malerisch verarbeite haben keine Namen. Ich nehme sie auf. Ich adoptiere tote Bilder. Wenn wir uns finden, bekommen sie ein neues Leben und einen neuen Namen. Alten Fotografien fehlt häufig die Farbe rot. Die fotografischen Portraits der Zeit vor der Farbfotografie wurden häufig von Hand koloriert, damit das Portrait « wie lebendig» erscheint. In den rund Hundert Jahren verblassten die Farben – am schnellsten da Rot. Wenn ich ein totes Bild reanimiere, ist Rot ganz wichtig. Rot ist das Leben und ist die Liebe. Gibt es Liebe nach dem Tod? Is there sex after death?
Die Malerei der Amateure bot einen ausgezeichneten Ausgangspunkt für Untersuchungen über den Sinn und Zwecke der Malerei an. Landschaften, Blumenbilder und Portraits waren die Ausgangsmaterialien für eine Untersuchung der “Toten Bilder”. Kommen tote Bilder auch in den Himmel?, befragte ich malerisch die Landschaften, Blumenbilder und Portraits längst verstorbener Amateure. Ein wichtiger Aspekt der Malerei ist das Streben nach Ewigkeit. Eine Mona Lisa wird ewig leben. Scheitert jedoch der Künstler, dann schaffen es seine Werke nicht in den Himmel. Auch ich war einmal ein junger Künstler mit Potenzial. In den Neunziger Jahren durfte ich mit Einzelaustellungen Kunsthallen und Museen bespielen und Performances auf den besten Bühnen in Wien, Zürich und Prag inszenieren. Viele Künstler sind berufen, wenige auserwählt. Auch ich scheiterte und mein Werk geriet in Vergessenheit. Auch meine Werke werden es nicht in den Himmel schaffen. Insbesondere religiöse Bilder thematisieren die Sehnsucht des Menschen, den Tod zu überwinden. Eine kitschige Darstellung einer liebenden Maria mit dem Jesuskind erfüllte früher diese Funktion. Diese Objekte passen nicht mehr in unsere urbane Wohnlandschaft. Sie werden aussortiert und entsorgt. Was kann ich tun? Wie kann den toten Bildern ein neues Leben einhauchen? Ich trete malerisch in einen Dialog mit dem toten Bild und versuche es zu reanimieren. Eine kleine zynische Geste erlöst ein Bild von seiner tragischen Schwere. Vielleicht kommen wir nur lachend ins Paradies.
Wenn Menschen sterben, werden ihre Häuser und Wohnungen geräumt. Die meisten Möbel, Teppiche, Kleider werden entsorgt und verbrannt. Einige Gegenstände schaffen es, den Tod ihrer einstigen Besitzer zu überleben. Was die Erben nicht behalten, wird beim Trödler zum Verkauf angeboten. Seit Jahrzehnten faszinieren mich die verweisten Bilder in den “Brockenhäusern”, wie die Trödlerläden in der Schweiz genannt werden. Die Bilder, die einst die Wände von Wohnungen schmückten, jetzt sorglos in Regalen gestapelt, haben ausgedient. Es sind tote Bilder. Die meisten Bilder sind kitschiger Wandschmuck oder aber auch zaghafte Versuche von Amateurmalern. Der Hunger nach Bildern ist in jedem von uns. Sie geben die Bedürfnisse der ehemaligen Besitzer wieder: Geborgenheit, Sicherheit, Hoffnung, Schönheit. Die Motive wiederholen sich: Blumen, Landschaften, Tiere und religiöse Abbildungen. Manchmal finde ich fotografische oder gemalte Portraits der Verstorbenen.
Die Bildwelten jenseits der Kunstwelt haben mich schon immer fasziniert. Insbesondere die religiösen Bilder ziehen mich an. Eine uralte Funktion der Kunst aus vorrefomatorischer Zeit ist hier noch wirksam: Die Ikone segnet und schützt den Betrachter. Die (heilende) Kraft der Heiligen wirkt durch das Abbild. Das Bild als Fenster zum Himmel. Eine schwindende Bildwelt von rührender Naivität. Maria mit dem Jesuskind, die weinende Maria, aber dann auch modernere sekularisierte Varianten, die weinenden Kinder ohne Maria und die sehnsüchtigen Jungfrauen ohne Kinder.
Schon in den 90er Jahren baute ich Objekte aus alten Bildern und aus Bilderrahmen. Warum selber malen, wenn es schon so viele Bilder gibt? Seither sammle ich, was ich an “toten” Bildern finde. Manchmal male ich weiter, verbessere, interpretiere und ergänze. Als jungen Künstler interessierte mich das Bild als Gebrauchsgegenstand und der Missbrauch der Ästhetik durch Ideologien in totalitären Sytemen oder Religionen. Eine Ausstellung im Rudolfinum in Prag hies «Mein Kunst» und beschäftigte sich mit dem zeichnerischen Werk von Adolf Hitler. Kitsch Kills!
In den Werken der letzten Jahre gehe ich wohlwollender mit dem Faktor Kitsch um. Anstatt blosszustellen versuche ich mich einzufühlen, nachzuahmen. Ich male Blumen, Landschaften und Sonnenuntergänge. Das bestehende Bild gibt vor und ich folge dem Autor. Wenn es gut kommt, erreichen wir eine Art Gleichgewicht. Art a deux – eine Brücke über die Zeit. Die Portraits der Menschen, die ich im Brockenhaus finde, sind doppelt gestorben. Zunächst ist der Mensch gestorben. Die Fotografie oder das gemalten Portrait lebte aber weiter – als Erinnerung. Erst wenn die Erinnerung starb, kam das Bild ins Brockenhaus. Die Toten auf den Bildern, die ich malerisch verarbeite haben keine Namen. Ich nehme sie auf. Ich adoptiere tote Bilder. Wenn wir uns finden, bekommen sie ein neues Leben und einen neuen Namen. Alten Fotografien fehlt häufig die Farbe rot. Die fotografischen Portraits der Zeit vor der Farbfotografie wurden häufig von Hand koloriert, damit das Portrait « wie lebendig» erscheint. In den rund Hundert Jahren verblassten die Farben – am schnellsten da Rot. Wenn ich ein totes Bild reanimiere, ist Rot ganz wichtig. Rot ist das Leben und ist die Liebe. Gibt es Liebe nach dem Tod? Is there sex after death?
Die Malerei der Amateure bot einen ausgezeichneten Ausgangspunkt für Untersuchungen über den Sinn und Zwecke der Malerei an. Landschaften, Blumenbilder und Portraits waren die Ausgangsmaterialien für eine Untersuchung der “Toten Bilder”. Kommen tote Bilder auch in den Himmel?, befragte ich malerisch die Landschaften, Blumenbilder und Portraits längst verstorbener Amateure. Ein wichtiger Aspekt der Malerei ist das Streben nach Ewigkeit. Eine Mona Lisa wird ewig leben. Scheitert jedoch der Künstler, dann schaffen es seine Werke nicht in den Himmel. Auch ich war einmal ein junger Künstler mit Potenzial. In den Neunziger Jahren durfte ich mit Einzelaustellungen Kunsthallen und Museen bespielen und Performances auf den besten Bühnen in Wien, Zürich und Prag inszenieren. Viele Künstler sind berufen, wenige auserwählt. Auch ich scheiterte und mein Werk geriet in Vergessenheit. Auch meine Werke werden es nicht in den Himmel schaffen. Insbesondere religiöse Bilder thematisieren die Sehnsucht des Menschen, den Tod zu überwinden. Eine kitschige Darstellung einer liebenden Maria mit dem Jesuskind erfüllte früher diese Funktion. Diese Objekte passen nicht mehr in unsere urbane Wohnlandschaft. Sie werden aussortiert und entsorgt. Was kann ich tun? Wie kann den toten Bildern ein neues Leben einhauchen? Ich trete malerisch in einen Dialog mit dem toten Bild und versuche es zu reanimieren. Eine kleine zynische Geste erlöst ein Bild von seiner tragischen Schwere. Vielleicht kommen wir nur lachend ins Paradies.