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Namoranna
2010–2016

Als unsere Tochter Anna 2008 geboren wurde, war ich bereits ein „Künstler in Pension“. Ich hatte meine Ausstellungstätigkeit und auch die Theaterperformances der 90er Jahre beendet und widmete mich ganz dem Werk von Miroslav Tichy und meiner ärztlichen Tätigkeit.

Wie jedes Kind, war Anna eine geborene Künstlerin. Kinder und Künstler verwandeln die Welt im Spiel. Was immer Anna ansah, blickte zurück. Sie sang, zeichnete, baute Skulpturen – wie alle Kinder. Ich staunte, sammelte ihre Produkte und fotografierte Anna. Ihre frische, unbändige Schaffenskraft inspirierte mich. Ich fing an, mit ihr gemeinsam zu zeichnen. Wir zeichneten gleichzeitig auf einem Blatt oder wir überarbeiteten im Dialog das Blatt des Anderen um es dann zurückzugeben und erneut zu überzeichnen. Wir nannten uns damals Künstlerduo „Namoranna“. Wir zeichneten nicht nur auf weisses Papier, sondern auch auf Bilder und Grafiken, die ich im Brockenhaus kaufte. Anna klebte ihre bunten Kleber auf Bilder und zeichnete mit Farbstiften ihre Fabelwesen. Wir zeichneten, schrieben und malten auch auf dem Küchentisch. Irgendwann wanderte der Tisch ins Atelier. Er wurde zu „La Grande Table“, einer Erzählung über unsere Welt und das Universum, von ihrem Anfang bis zum heutigen Tage, über die Entstehung des Lebens und den Niedergang der Dinosaurier, über den Sinn des Lebens und des Sterbens und insbesondere über die Liebe.

Das Spiel mit Kindern bringt Erinnerungen an die eigene Kindheit zurück. In den Fünfzigern in Prag geboren, verbrachte ich viel Zeit bei meinen Grosseltern in Kyjov. Mein Grossvater Oldrich war pensioniert und hatte viel Zeit –das  Wertvollste, das man Kindern schenken kann. Er war Musiker und spielte mit Freunden bis spät in die Nacht mährische Volksmusik. Von seinem Freund und Nachbar Miroslav Tichý, lernte mein Grossvater Oldrich zu zeichnen und zu malen. Seine Bilder und Zeichnungen blieben amateurhaft, waren aber voller Liebe. Er kopierte Blumenbilder, Bilder von Van Gogh und religiöse Bilder, die er auch verkaufte. Auch Mirek Tichy hatte Zeit. Er baute mir die Schaukel im Garten, brachte mir das Fotografieren bei, als ich fünf war. Magische Türen öffneten sich. Schon als kleiner Knabe hatte ich mit Grossvater Oldrich und „Onkel“ Mirek ein Umfeld, in dem meine kindliche Kretivität sich voll entwickeln konnte. Anstatt Künstler zu werden, hatte ich das Glück, Künstler bleiben zu dürfen – ein Leben lang.

Die Kunstblumen entstanden im Frühling 2014. Das Leben explodierte förmlich aus der winterlichen Erstarrung. Aus altem grauen Geäst schoss dass leuchtende Grün. Der kahle Engimatthügel vor meinem Fenster zeigte jeden Tag neue Farben. Dort eine wilde Tulpe, hier eine Rose, mitten im wuchernden Grün des Gartens. Ich fing ich an, Skulpturen aus Polyurethanschaum zu machen. Den PU Schaum bemalte ich nach dem Aushärten mit Farbsprays. Im Brockenhaus kaufte ich künstliche Blumen aus Plastik und bearbeite sie mit dem PU Schaum und Farbsprays. Ich interessierte mich für die Grenze zwischen natürlich und künstlich, schön und hässlich, tot und lebendig. Blumen aus Plastik sind „Kitsch“ in reinster Form und grösster Dichte. Die versprechen ewige Schönheit, Freude und Lebendigkeit und leugnen die Sterblichkeit. Ich liess den PU Schaum in den Kunstblumen zu tumorartigen Knollen wuchern und bildete Metastastasen im Geäst. Ich hatte meinen Tumor vor sechs Jahren besiegt – jetzt konnte ich es wagen, ihn zu verarbeiten. Tumoren gab es schon immer, seit sich Zellen teilen. Es gibt sie in allen Geweben aller Lebewesen – auch Pflanzenzellen können tumorartig entarten. Tumoren sind die Blüten des Bösen auf dem Baum des Lebens. Ich gab den „fleurs du mal“ ihren Tod zurück.

Als meine sechsjährige Tochter Anna mich mit Polyurethan arbeiten sah, war sie sofort begeistert. Sie fing an eigene Arbeiten aus Bauschaum herzustellen. Sie machte eigene Kunstblumen, die sie dann mit Farbsprays bemalte. Ihr Ideen waren deutlich verschieden von den meinen und wir lernten schnell voneinander. Die Spiellust, Schaffenskraft, Intensität und Unmittelbarkeit der kindlichen Kreativität ist der Ursprung aller späterer künstlerischer Bemühungen, postulierte Paul Klee vor hundert Jahren. Zur gleichen Zeit als Sigmund Freud Kunst zur Krankheit erklärte und den Begriff der Sublimierung zur Eklärung der künstlerischen Tätigkeit einführte. Die kindliche Kreativität sprundelt jedoch wie das Spiel aus dem Innern eines jeden Kindes. Die „Erziehung“ beendet diese hoffnungsvolle Epoche des Spiels und der angeborenen Kunst. Erst später im Leben wird sich diese künstlerische Kraft erneut seinen Weg suchen müssen – bei besonders begabten oder auch bei psychiatrisch erkrankten Individuen. Kreativität muss nicht (an)erzogen, gezogen oder (an)gestossen werden. Die Erziehung verfolgt schon bei den Schimpansen das Ziel, das Individuum den Bedürfnissen der Horde anzupassen. Sie dient nicht dem Kind, sondern den Erwachsenen, deren Überleben davon abhing, die nachfolgenden Generationen für ihre Zwecke zu formen. Denn dies ist der „Generationenvertrag“: Die Kinder sollen sich die Regeln den Eltern, der Horde, des Staats aneignen um die Alten zu versorgen. Der Mensch wird nicht frei, sondern zu früh geboren – das Resultat einer Evolution, die das Becken zu klein und das Gehirn zu gross werden liess.

Als unsere Tochter Anna 2008 geboren wurde, war ich bereits ein „Künstler in Pension“. Ich hatte meine Ausstellungstätigkeit und auch die Theaterperformances der 90er Jahre beendet und widmete mich ganz dem Werk von Miroslav Tichy und meiner ärztlichen Tätigkeit.

Wie jedes Kind, war Anna eine geborene Künstlerin. Kinder und Künstler verwandeln die Welt im Spiel. Was immer Anna ansah, blickte zurück. Sie sang, zeichnete, baute Skulpturen – wie alle Kinder. Ich staunte, sammelte ihre Produkte und fotografierte Anna. Ihre frische, unbändige Schaffenskraft inspirierte mich. Ich fing an, mit ihr gemeinsam zu zeichnen. Wir zeichneten gleichzeitig auf einem Blatt oder wir überarbeiteten im Dialog das Blatt des Anderen um es dann zurückzugeben und erneut zu überzeichnen. Wir nannten uns damals Künstlerduo „Namoranna“. Wir zeichneten nicht nur auf weisses Papier, sondern auch auf Bilder und Grafiken, die ich im Brockenhaus kaufte. Anna klebte ihre bunten Kleber auf Bilder und zeichnete mit Farbstiften ihre Fabelwesen. Wir zeichneten, schrieben und malten auch auf dem Küchentisch. Irgendwann wanderte der Tisch ins Atelier. Er wurde zu „La Grande Table“, einer Erzählung über unsere Welt und das Universum, von ihrem Anfang bis zum heutigen Tage, über die Entstehung des Lebens und den Niedergang der Dinosaurier, über den Sinn des Lebens und des Sterbens und insbesondere über die Liebe.

Das Spiel mit Kindern bringt Erinnerungen an die eigene Kindheit zurück. In den Fünfzigern in Prag geboren, verbrachte ich viel Zeit bei meinen Grosseltern in Kyjov. Mein Grossvater Oldrich war pensioniert und hatte viel Zeit –das  Wertvollste, das man Kindern schenken kann. Er war Musiker und spielte mit Freunden bis spät in die Nacht mährische Volksmusik. Von seinem Freund und Nachbar Miroslav Tichý, lernte mein Grossvater Oldrich zu zeichnen und zu malen. Seine Bilder und Zeichnungen blieben amateurhaft, waren aber voller Liebe. Er kopierte Blumenbilder, Bilder von Van Gogh und religiöse Bilder, die er auch verkaufte. Auch Mirek Tichy hatte Zeit. Er baute mir die Schaukel im Garten, brachte mir das Fotografieren bei, als ich fünf war. Magische Türen öffneten sich. Schon als kleiner Knabe hatte ich mit Grossvater Oldrich und „Onkel“ Mirek ein Umfeld, in dem meine kindliche Kretivität sich voll entwickeln konnte. Anstatt Künstler zu werden, hatte ich das Glück, Künstler bleiben zu dürfen – ein Leben lang.

Die Kunstblumen entstanden im Frühling 2014. Das Leben explodierte förmlich aus der winterlichen Erstarrung. Aus altem grauen Geäst schoss dass leuchtende Grün. Der kahle Engimatthügel vor meinem Fenster zeigte jeden Tag neue Farben. Dort eine wilde Tulpe, hier eine Rose, mitten im wuchernden Grün des Gartens. Ich fing ich an, Skulpturen aus Polyurethanschaum zu machen. Den PU Schaum bemalte ich nach dem Aushärten mit Farbsprays. Im Brockenhaus kaufte ich künstliche Blumen aus Plastik und bearbeite sie mit dem PU Schaum und Farbsprays. Ich interessierte mich für die Grenze zwischen natürlich und künstlich, schön und hässlich, tot und lebendig. Blumen aus Plastik sind „Kitsch“ in reinster Form und grösster Dichte. Die versprechen ewige Schönheit, Freude und Lebendigkeit und leugnen die Sterblichkeit. Ich liess den PU Schaum in den Kunstblumen zu tumorartigen Knollen wuchern und bildete Metastastasen im Geäst. Ich hatte meinen Tumor vor sechs Jahren besiegt – jetzt konnte ich es wagen, ihn zu verarbeiten. Tumoren gab es schon immer, seit sich Zellen teilen. Es gibt sie in allen Geweben aller Lebewesen – auch Pflanzenzellen können tumorartig entarten. Tumoren sind die Blüten des Bösen auf dem Baum des Lebens. Ich gab den „fleurs du mal“ ihren Tod zurück.

Als meine sechsjährige Tochter Anna mich mit Polyurethan arbeiten sah, war sie sofort begeistert. Sie fing an eigene Arbeiten aus Bauschaum herzustellen. Sie machte eigene Kunstblumen, die sie dann mit Farbsprays bemalte. Ihr Ideen waren deutlich verschieden von den meinen und wir lernten schnell voneinander. Die Spiellust, Schaffenskraft, Intensität und Unmittelbarkeit der kindlichen Kreativität ist der Ursprung aller späterer künstlerischer Bemühungen, postulierte Paul Klee vor hundert Jahren. Zur gleichen Zeit als Sigmund Freud Kunst zur Krankheit erklärte und den Begriff der Sublimierung zur Eklärung der künstlerischen Tätigkeit einführte. Die kindliche Kreativität sprundelt jedoch wie das Spiel aus dem Innern eines jeden Kindes. Die „Erziehung“ beendet diese hoffnungsvolle Epoche des Spiels und der angeborenen Kunst. Erst später im Leben wird sich diese künstlerische Kraft erneut seinen Weg suchen müssen – bei besonders begabten oder auch bei psychiatrisch erkrankten Individuen. Kreativität muss nicht (an)erzogen, gezogen oder (an)gestossen werden. Die Erziehung verfolgt schon bei den Schimpansen das Ziel, das Individuum den Bedürfnissen der Horde anzupassen. Sie dient nicht dem Kind, sondern den Erwachsenen, deren Überleben davon abhing, die nachfolgenden Generationen für ihre Zwecke zu formen. Denn dies ist der „Generationenvertrag“: Die Kinder sollen sich die Regeln den Eltern, der Horde, des Staats aneignen um die Alten zu versorgen. Der Mensch wird nicht frei, sondern zu früh geboren – das Resultat einer Evolution, die das Becken zu klein und das Gehirn zu gross werden liess.