Zwang und Freiheit im Schicksal des Einzelnen
1991
Kunst ist Krankheit hatte auch mit meinem Studium der Geschichte der Psychiatrie zu tun. Cesare Lombroso untersuchte im 19. Jhdt. die Physiognomie von Kriminellen und schlug vor, sie basierend auf ihrem Erscheinungsbild in psychologische Typen zu unterteilen. Leopold Szondi, ein Schüler Sigmund Freuds, entwickelte 1956 eine Theorie, die er „Genotropismus“ nannte. Diese Theorie erkennt die deterministischen Einflüsse von Genetik und familiärem Erbe an, betont aber auch die menschliche Handlungsfähigkeit – die Fähigkeit, bewusste Entscheidungen zu treffen und über geerbte Tendenzen hinauszugehen. Szondi untersuchte Patienten in psychiatrischen Kliniken und fotografierte ihre Gesichter. In seinem Buch „Zwang und Freiheit im Schicksal des Einzelnen“ schlug er ein Testverfahren vor, das auf diesen Fotografien basierte. Dieser projektive Persönlichkeitstest bestand darin, Porträtfotos von Personen mit sichtbaren psychiatrischen Diagnosen auszuwählen. Die Auswahl der Testpersonen sollte unbewusste Präferenzen oder Abneigungen offenbaren, die mit ererbten Merkmalen oder Trieben verbunden sind.
Die Testperson erhielt 48 Karten mit Porträts von psychiatrischen Patienten: Schizophrene, Manische, Depressive, Epileptiker, aber auch Homosexuelle. Die Testperson teilte diese in zwei Gruppen ein: sympathisch und unsympathisch. Die „sympathische“ Gruppe sollte die Psyche der Testperson widerspiegeln und Einblicke in ihre Persönlichkeitsstruktur geben. Der Test wurde bis in die 1990er Jahre verwendet, obwohl die Annahmen sowohl theoretisch als auch empirisch widerlegt wurden. Ich war fasziniert von dem Ausdruck dieser Gesichter in diesem veralteten Test, aber auch vom medizinischen Missbrauchs des Portraits – des wohl „heiligsten“ künstlerischen Formats. Das Anlitz, der Spiegel der Seele, wurde in der Physiognomik und später in der Rassenlehre verwendet um Menschen und Schicksale zu werten.
1990 ließ ich eine Auswahl von 16 Gesichtern in Posterform drucken. Das war mein eigener „Lombroso-Test“ – mein psychologisches Profil – und ich nutzte ihn für Installationen. Im Rahmen einer Ausstellung namens „U Recickych“ führten wir eine groß angelegte Plakatkampagne durch und klebten über 3.000 Poster in der ganzen Stadt. Kurz nach dem Fall der Berliner Mauer gab es in Prag noch wenig Werbung im öffentlichen Raum. Unsere Poster hatten keine Schrift, keinen Hinweis darauf, wofür sie standen.Die Medien berichteten, es könnten Moravische Politiker sein, bis jemand vom Prager Szondi-Institut den Ursprung der Bilder aufdeckte. Daraufhin wurde ich als „psychologischer Terrorist“ angegriffen. Ich hätte jede weitere Nutzung des Szondi-Tests verhindert, da nun jeder die Gesichter kannte. Es war die erste künstlerische Plakatkampagne in Prag.
Kunst ist Krankheit hatte auch mit meinem Studium der Geschichte der Psychiatrie zu tun. Cesare Lombroso untersuchte im 19. Jhdt. die Physiognomie von Kriminellen und schlug vor, sie basierend auf ihrem Erscheinungsbild in psychologische Typen zu unterteilen. Leopold Szondi, ein Schüler Sigmund Freuds, entwickelte 1956 eine Theorie, die er „Genotropismus“ nannte. Diese Theorie erkennt die deterministischen Einflüsse von Genetik und familiärem Erbe an, betont aber auch die menschliche Handlungsfähigkeit – die Fähigkeit, bewusste Entscheidungen zu treffen und über geerbte Tendenzen hinauszugehen. Szondi untersuchte Patienten in psychiatrischen Kliniken und fotografierte ihre Gesichter. In seinem Buch „Zwang und Freiheit im Schicksal des Einzelnen“ schlug er ein Testverfahren vor, das auf diesen Fotografien basierte. Dieser projektive Persönlichkeitstest bestand darin, Porträtfotos von Personen mit sichtbaren psychiatrischen Diagnosen auszuwählen. Die Auswahl der Testpersonen sollte unbewusste Präferenzen oder Abneigungen offenbaren, die mit ererbten Merkmalen oder Trieben verbunden sind.
Die Testperson erhielt 48 Karten mit Porträts von psychiatrischen Patienten: Schizophrene, Manische, Depressive, Epileptiker, aber auch Homosexuelle. Die Testperson teilte diese in zwei Gruppen ein: sympathisch und unsympathisch. Die „sympathische“ Gruppe sollte die Psyche der Testperson widerspiegeln und Einblicke in ihre Persönlichkeitsstruktur geben. Der Test wurde bis in die 1990er Jahre verwendet, obwohl die Annahmen sowohl theoretisch als auch empirisch widerlegt wurden. Ich war fasziniert von dem Ausdruck dieser Gesichter in diesem veralteten Test, aber auch vom medizinischen Missbrauchs des Portraits – des wohl „heiligsten“ künstlerischen Formats. Das Anlitz, der Spiegel der Seele, wurde in der Physiognomik und später in der Rassenlehre verwendet um Menschen und Schicksale zu werten.
1990 ließ ich eine Auswahl von 16 Gesichtern in Posterform drucken. Das war mein eigener „Lombroso-Test“ – mein psychologisches Profil – und ich nutzte ihn für Installationen. Im Rahmen einer Ausstellung namens „U Recickych“ führten wir eine groß angelegte Plakatkampagne durch und klebten über 3.000 Poster in der ganzen Stadt. Kurz nach dem Fall der Berliner Mauer gab es in Prag noch wenig Werbung im öffentlichen Raum. Unsere Poster hatten keine Schrift, keinen Hinweis darauf, wofür sie standen.Die Medien berichteten, es könnten Moravische Politiker sein, bis jemand vom Prager Szondi-Institut den Ursprung der Bilder aufdeckte. Daraufhin wurde ich als „psychologischer Terrorist“ angegriffen. Ich hätte jede weitere Nutzung des Szondi-Tests verhindert, da nun jeder die Gesichter kannte. Es war die erste künstlerische Plakatkampagne in Prag.